Standortfaktor Personal: IT-Unternehmen und Hochschulen im Gespräch

Die IT- und Medienstudiengänge im Land Bremen leisten einen elementaren Beitrag zur Ausbildung von dringend benötigten Fachkräften der Branche und sind somit ein wichtiger Standortfaktor für Unternehmen. Im Fokus des Stammtischs von bremen digitalmedia am 15. September 2016 im Haus Schütting standen daher die Konzepte dieser Studiengänge und ihre Verbindungen zur Praxis.
Vertreterinnen und Vertreter der Universität Bremen, der Hochschule Bremen, der Hochschule für Künste, der Jacobs University und der Hochschule Bremerhaven beantworteten die Fragen der Unternehmensvertreter und horchten selbst in die Runde, um Feedback zu ihren Programmen zu bekommen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Andreas Breiter, Professor für Angewandte Informatik an der Universität und Vorstandsmitglied von bremen digitalmedia.

Praktikumsplätze gesucht

Thorsten Teschke, Professor für Softwaretechnik an der Hochschule Bremen, warb vor allem um interessante Praktikumsplätze für die Studierenden – ein Wunsch, den auch die anderen Vertreter der Bildungseinrichtungen teilten. Die Hochschule bietet mehrere Studiengänge rund um IT und Medien an: Medieninformatik, Technische Informatik und Mechatronik sowie den Internationalen Frauen-Studiengang Informatik und das Master-Studium Informatik. Gemeinsam mit der Universität Bremen hat sie außerdem den Dualen Studiengang Informatik und das Duale Masterprogramm Informatik gestartet – beide werden vom Förderverein bremen digitalmedia getragen.
Teschke wies darauf hin, dass alle Studiengänge sehr praxisorientiert sind und die meisten Studierenden ein Semester im Ausland absolvieren. Darüber hinaus arbeite die Hochschule daran, die Studiengänge flexibler zu gestalten, sodass sie besser an die jeweiligen Lebensverhältnisse angepasst werden können, beispielweise bei Berufstätigen oder bei Studierenden mit Kindern.

Crossmediales Denken in die Unternehmen bringen

Auch an der Hochschule Bremerhaven wird das Angebot an Studiengängen dem Bedarf entsprechend weiterentwickelt. Neben den Bachelorprogrammen Digitale Medienproduktion, Informatik und Wirtschaftsinformatik soll 2017 das Masterstudium „Digitalisierung, Innovation und Informationsmanagement“ starten. Der Bezug zur Unternehmenspraxis ist in allen Fällen eng. Andreas Teufel, Professor für Kommunikationsdesign, war vor seinem Start im Studiengang Digitale Medienproduktion selbst in der Wirtschaft tätig. Sein Schwerpunkt ist die crossmediale Gestaltung: „Unternehmen kommunizieren oft entweder analog oder digital“, erklärte er beim Stammtisch von bremen digitalmedia. „Das Ganze zusammenzudenken ist meine Aufgabe – aus Perspektive des Designs.“

Masterstudium rund um „Big Data“

Durch eine besonders internationale Studentenschaft kennzeichnet sich die Jacobs University in Bremen-Nord. Im Bachelor-Studiengang Informatik sind mehr als 100 Studierende eingeschrieben; sehr wenige davon stammen aus dem deutschen Nordwesten. Geleitet wird der Studiengang bereits seit der Einführung vor zehn Jahren von Prof. Jürgen Schönwälder. Damit die Studierenden nach dem Abschluss nicht wieder in alle Himmelsrichtungen verschwinden, rät er Unternehmen, sie durch Praktika im fünften Semester kennenzulernen und zu binden, möglicherweise auch durch Stipendien. Das Informatik-Masterprogramm der Jacobs University konzentriert sich auf das Thema Data Engineering, also die Chancen und Herausforderungen rund um „Big Data“.

Enge Einbeziehung in die Forschung

Den größten Pool an Absolventen bildet die Universität Bremen aus: Alleine der Studiengang Informatik nimmt jedes Jahr rund 200 Abiturienten auf. Hinzu kommen weitere Bachelor- und Masterstudiengänge in den Bereichen Wirtschaftsinformatik und Systems Engineering sowie die Programme, die in Kooperationen mit der Hochschule Bremen und der Hochschule für Künste angeboten werden. Prof. Ute Bormann, stellvertretende Studiendekanin am Fachbereich 3 Mathematik / Informatik, verwies als Besonderheiten unter anderem auf die englischsprachigen Module und auf die Projekte, in denen Studierende intensiv an Forschungsfragen arbeiten.

Experimentelles Arbeiten an der HfK

Zusammen mit der Hochschule für Künste bietet die Universität den Studiengang Digitale Medien an. Die Uni legt dabei den Schwerpunkt auf Medieninformatik, die HfK auf Mediengestaltung. Da beide Einrichtungen recht unterschiedlich arbeiten, ergibt sich ein „interessantes Zusammentreffen der Kulturen“, wie Prof. Dennis Paul von der HfK erläuterte: Auf der einen Seite eher die Wissenschaftler*innen, auf der anderen die gestaltenden Künstler*innen. Der weniger wissenschaftlich fokussierte Ansatz ermögliche der Hochschule ein unkonventionelles, experimentelles Arbeiten. „Wir veröffentlichen keine Forschungsergebnisse, sondern Projekte“, so Paul. Dabei würden auch Kooperationen mit regionalen Unternehmen eingegangen.

Praktika: „Nicht mit 500 Euro abspeisen“

In der folgenden Diskussion wurde überlegt, wie die regionalen Unternehmen sich die guten Absolventen sichern können, wenn diese auf den Arbeitsmarkt gelangen. Andreas Teufel von der Hochschule Bremen bestätigte zunächst: „Ich habe den Eindruck, dass viele der spannendsten Leute abwandern.“ Auch Jürgen Schönwälder hat beobachtet, dass die Informatiker oft nach Frankfurt, Berlin oder München ziehen, während die Logistik-Absolventen der Jacobs University häufiger im Nordwesten bleiben.
Ein wichtiges Instrument, die Studierenden frühzeitig zu binden, sind Praktika. Nach Meinung der Hochschulvertretenden kommt es jedoch darauf an, dabei interessante Tätigkeiten anzubieten. „Man muss den Studierenden wichtige Aufgaben übertragen, ihnen dann aber auch etwas dafür geben“, betonte Helmut Eirund von der Hochschule Bremen. „Man sollte sie nicht mit 500 Euro abspeisen. Dann sind sie anschließend in Hamburg.“

Als Dozent an die Hochschule

Ein zweiter wichtiger Ansatz ist der persönliche Kontakt von Unternehmensvertretenden zu den Hochschulen, beispielsweise als Dozent*in. So besteht die Möglichkeit, eine Vielzahl von Studierenden frühzeitig kennenzulernen. Wer daran Interesse hat, kann sich beispielsweise mit einer Mail an die jeweilige Leitung des Dekanats wenden und ein Unterrichtsmodul oder einen Vortrag anbieten. „Die Kontaktaufnahme ist immer die größte Hürde“, betonte Schönwälder.
Weitere Möglichkeiten zum Kennenlernen bieten Praxisbörsen und ähnliche Veranstaltungen. Diese Option wird noch wenig genutzt: „Zu uns kommen Microsoft aus Irland und DAX-Unternehmen aus München und Frankfurt, aber sehr wenige Bremer Unternehmen“, berichtete Schönwälder von der Jacobs University. Einmal im Jahr dient auch das Forum Medienpraxis der Kontaktanbahnung zwischen Bewerbenden und Unternehmen.