Portraitfoto von Caren Brüggemann

Unpolitischer Fußball? Wenn diese WM neben hervorragenden Torwartleistungen eins zeigt, dann, dass wir uns von dieser Vorstellung wohl endgültig verabschieden müssen. Fußballfans identifizieren sich mit ihrem Team und einzelnen Spielern, Kinder sehen in ihnen ihre Vorbilder und viele sind die Gesichter großer Marken. Bei Erfolgen werden die Spieler als nationale Helden gefeiert, doch ebenso schnell bei Misserfolgen mit Kritik überschüttet. Der Grat zwischen Siegen und Versagen ist schmal. Wer gestern noch in den Himmel gelobt wurde, kann schon morgen für eine Niederlage als alleiniger Verursacher verantwortlich gemacht werden. Der Fußball steht in der Öffentlichkeit und mit ihm die Spieler.

Das ein Sportereignis wie die WM für politische Zwecke und Propaganda genutzt wird, ist dabei auch nichts neues. Doch aktuell nimmt dies eine Form an, die nachdenklich stimmt. Termine mit Fußballstars werden von Politikern genutzt, um deren Image aufzupolieren. Nicht ohne Hintergedanken werden ganze Turniere in Ländern veranstaltet, die in der Vergangenheit hart in der Kritik standen. Spieler mit Migrationshintergrund werden bei Misserfolgen umgehend in der Luft zerrissen und von Parteien wie der AfD auf hämische Weise diffamiert. Sofort springen erschreckend viele gierig und lechzend auf diesen Zug auf und machen ihren unqualifizierten Gedanken im Netz Luft. Sobald sich eine Angriffsfläche bietet, schlagen Kritiker zu – ohne Hemmungen und scheinbar auch, ohne nachzudenken. So auch bei dieser WM in Russland. Da haben wir Mesut Özil, der nach dem WM-Titel 2014 noch für seine besondere Kreativität im Mittelfeld gelobt wurde und scheinbar unverzichtbar war. 2018 – nach einem politischen Eklat, der ohne Zweifel fragwürdig war – wird ein Foto plötzlich als einer der Gründe für das frühe Ausscheiden der deutschen Nationalelf herangezogen. Das hat erstens wenig mit einer fußballerischen Leistung zu tun (und darum sollte es bei der Suche nach Gründen für das frühe WM-Aus doch eigentlich gehen) und lag zweitens rund vier Wochen vor Anpfiff des ersten WM Spiels. Ein anderes Beispiel ist der Schwede Jimmy Durmaz, der nach einem entscheidenden Patzer im Vorrundenspiel, in fieser Manier in den sozialen Netzwerken beschimpft wurde. Dies sind nur zwei Beispiele dafür, wie schnell sich Rassismus und politische Propaganda im Fußballsport einen Weg bahnen und wie schnell die Herkunft der Spieler im Vordergrund steht – nicht die sportliche Leistung.

Dass man die Beziehung zwischen sportlichen Großereignissen und Politik nicht ganz vermeiden kann, weil eben beides in der Öffentlichkeit stattfindet, leuchtet ein. Aber vielleicht sollte man sportliche Niederlagen auch schlicht durch sportliches Versagen begründen. Ich wünsche mir eine reflektierte öffentliche Kritik und keine, die stets auf unmittelbaren Weg alles zerreißt, beleidigt und persönlich wird. Eine Mannschaft, die jahrelang sportlich auf höchstem Niveau gespielt hat und überall für ihren Teamgeist gelobt wurde, ist meiner Meinung nach kein Verlierer mit Charakterschwächen, weil sie nun einmal nicht überzeugen konnte. Einfach NUR verlieren scheint nicht mehr erlaubt zu sein.