Kleine Schritte, große Wirkung: Strategien und Best Practices für Nachhaltige IT

Blick in einen Innenraum mit Glasfronten und einem Tresen an dem bei gedimmter Beleuchtung verschiedene Menschen zusammenstehen und in Gespräche vertieft sind. Blick in einen Innenraum mit Glasfronten und einem Tresen an dem bei gedimmter Beleuchtung verschiedene Menschen zusammenstehen und in Gespräche vertieft sind.
Foto: Filmflut
NachhaltigkeitAngeregte Diskussionen, informative Sessions und ein gemeinsames Ziel: Wie lässt sich die Klimabilanz der IT verbessern? Bei unserer Code & Klima-Convention Anfang November erörtern Expert*innen aus der Bremer IT-Wirtschaft Strategien, Best Practices und Tools für eine nachhaltigere Software-Entwicklung und Software-Infrastruktur.

Eingeladen hatte unsere Initiative „Code & Klima – Forum für nachhaltige IT“. Seit gut einem Jahr entwickeln die Köpfe hinter der Initiative Ideen und Möglichkeiten, wie das Bewusstsein für Ökologie in der IT gestärkt und umgesetzt werden kann. Die Ergebnisse gibt es bei der Convention in den Räumen unseres Mitglieds Filmflut zu hören. Den Auftakt in das abwechslungsreiche Nachmittagsprogramm bilden Grußworte von Anna Zagorski, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundesumweltamt, und von Bernd Langer, stellvertretender Geschäftsführer bei energiekonsens.

 

Impulsvortrag – Wegweiser für nachhaltige IT {Anja Feyen, juS.TECH GmbH}

Mit Zahlen und Fakten untermauert Anja Feyen in ihrem Impulsvortrag, wie wichtig „Carbon Awareness“ für die IT ist. Es gelte, das Bewusstsein für die Kohlenstoffemissionen, die durch die Produktion von Hardware und den Betrieb von Rechenzentren entstehen, zu stärken. Das Wissen darüber, wie sich diese Emissionen reduzieren lassen, müsse sich auf breiter Ebene durchsetzen.

Für Unternehmen interessant: Nachhaltigkeit wird zunehmend zum Wettbewerbsfaktor. Durch effizientere Infrastruktur, längere Nutzung von Hardware und eine optimierte Software lassen sich ganz real Kosten sparen. Wettbewerbsvorteile ergeben sich dadurch, dass in immer mehr Ausschreibungen Umweltkriterien zu berücksichtigen sind. Die Gesetzgebung erfordert perspektivisch auch für kleinere Unternehmen Berichte über ihre Bestrebungen zu mehr Nachhaltigkeit. Positiv wirkt sich eine Nachhaltigkeitsstrategie in der IT auch auf Fachkräfte aus. Und nicht zuletzt sollte es Unternehmen darum gehen, die nationalen und europäischen Klimaziele aktiv zu unterstützen.

Zum Schluss nennt Anja Feyen drei konkrete Maßnahmen, die jede*r Teilnehmende direkt vornehmen kann: erstens einen Kosten- und Leistungscheck der eigenen IT-Infrastruktur, zweitens eine Bestands- und Lebensdaueranalyse der Geräteflotte und drittens eine Löschung nicht mehr verwendeter Daten und Software.

 

Session 1 – Green IT: Mit diesen Tools misst du deinen Verbrauch {Simon Fenske, HEC GmbH}

Woher weiß ich denn überhaupt, wieviel CO₂ meine Website verbraucht? Simon Fenske, Experte für Sustainable UX Design, bietet in seiner Session eine Schritt für Schritt-Anleitung, wie sich der Energieverbrauch von Websiten messen und reduzieren lässt. Dabei bezieht er sich auf Empfehlungen der Green Web Foundation, die ein Internet ohne fossil erzeugte Energie anstrebt.

In vier Schritten gelingt die verbrauchsärmere Website: In Schritt eins verrät der Website-Check mit dem Ecograder, wie verschwenderisch die eigene Website aufgebaut ist. Im zweiten Schritt geht es darum, Bilder mit Plugins zu komprimieren und so bis zu 90 Prozent weniger Datenlast beim Enduser zu verursachen. Schritt drei umfasst den Check des Hostings: „Grüne“ Anbieter sorgen für 50 Prozent weniger CO₂.

Schritt vier nimmt Software-Anwendungen in den Blick. Mit dem Green Metrics Tool lässt sich deren gesamter Energieverbrauch messen. Das ist interessant für alle, die für die Entwicklung von Software verantwortlich sind.

Session 2 – Nachhaltigkeit als Führungsaufgabe: Strategien, Werkzeuge, Wirkung {Viola Frankenberg, Wesernetz GmbH und Stefan Keinitz, encoway GmbH}

„Will you lead, or will yo be led?“, eröffnen Viola Frankenberg und Stefan Keinitz ihre Session mit einem Zitat von BlackRock-Gründer Larry Fink. Jedes Unternehmen werde gezwungen sein, sich mit Transformation zu beschäftigen – und das am besten aktiv.

Das bedeute für Führungskräfte, umzudenken und Verantwortung zu übernehmen. Nachhaltigkeitsmanagement dürfe nicht nur isoliert bei der dafür zuständigen Person im Unternehmen abgeladen werden. Vielmehr sei das ein unternehmensweiter Prozess, der nur Impact entfalte, wenn er von Führungskräften getragen wird. Dialogorientierte Führung und moderne Zielsysteme wie Objectives and Key-Results (OKR) fördern das.

Zum Schluss nennt das Session-Duo Stolperfallen, die die Transformation erschweren. Neben der fehlenden Führungsverankerung verhindere ein systemischer Widerstand im Unternehmen Veränderungsprozesse. Zudem stehen Greenwashing und Ressourcenknappheit einer sinnvollen Nachhaltigkeitsstrategie im Weg. Viele Unternehmen tappen auch in die „Junior-Falle“, wenn sie Berufseinsteiger*innen die wichtige Rolle des Nachhaltigkeitsmanagements übertragen. Diese erfordert nämlich Erfahrung und Seniorität.

Session 3 – Einfache Tools & Tipps für eine klimafreundlichere Website – ein Erfahrungsbericht {Eva Koball, bremen digitamedia e. V.}

Die Website ist brandneu – und der „Website Carbon Calculator“ misst eine vernichtende Energiebilanz. Was tun? Eva Koball, Geschäftsführerin von bremen digitamedia, krempelte die Ärmel hoch. Damit die Website des Branchenverbands nicht nur modern designt, sondern auch klimafreundlicher wird, hat sie zunächst mit kostenfrei und online verfügbaren Tools den CO₂-Verbrauch der Seite gemessen. Immerhin: Das Hosting der Seite ist bereits grün.

In ihrer Session stellt Eva Koball einen der größten Energiefresser auf Websites vor: Bilder und Videos. Als Maßnahme installierte sie ein kostengünstiges Plugin, das Bilder optimiert. Damit spart die Seite bei jedem Aufruf so viel CO₂, wie bei 1 bis 2 Minuten Instagram-Scrollen anfallen würden. Bei den Videos ist ihr Tipp: ebenfalls komprimieren und – wo es geht und sinnvoll ist – das Autoplay abschalten oder ganz auf Bewegtbild verzichten.

Lazy Loading ist eine weitere Strategie, um den CO₂-Verbrauch zu reduzieren: Webinhalte werden erst dann geladen, wenn sie tatsächlich benötigt werden. Am einfachsten ginge das im Fall der bremen digitalmedia-Seite mit WordPress-Plugins. Doch bei komplexeren Seiten erweist sich das als nicht praktikabel und muss manuell integriert werden. Der Erfolg:  Der CO₂-Ausstoß pro Aufruf der Startseite hat sich inzwischen mehr als halbiert. Fazit: Kleine Schritte, große Wirkung.

Session 4 – Der Blaue Engel für Software – ein Praxisbericht {Anita Schüttler, neuland GmbH}

„In jedem IT-System steckt Verschwendung – durch mehr Effizienz sinken die Emissionen und die Kosten“, sagt Anja Schüttler. Lässt sich das denn auch nachweisen? Mit dem noch jungen Siegel „Blauer Engel für Software“ gibt es erstmals einen Qualitätsrahmen für Nachhaltigkeit in der IT. Es sieht vor, dass die Software energie- und datensparsam ist, Abwärtskompatibilität und gesicherte Updates ermöglicht sowie werbe- und trackingfrei ist.

Anja Schüttler hat das Suchtool „Holmes“ bei neuland, wo sie als Informatikerin arbeitet, nach nachhaltigen Kriterien entwickeln lassen. Damit ist es eines von erst sechs mit dem „Blauen Engel“ zertifizierten Softwareprodukten. Mit einem Messpartner konnten 90 Prozent des Energieverbrauchs gemessen werden – ein Verfahren, das einen speziellen technischen Aufbau benötigt. Nun kann sie aber guten Gewissens sagen: „Das ist eine Software, die auf Effizienz achtet.“

Das Siegel setzt aber nicht nur auf Ressourceneffizienz, sondern auch auf eine weit gefasste Nachhaltigkeit. Dazu gehört, dass die Software eine längere Hardware-Nutzung ermöglicht. Der Kunde ist zudem autonom in der Nutzung: Es gibt kein Vendor-Lock-in, denn die Software könnte auch ohne das Entwicklungsunternehmen weiter betrieben werden. Das ist einer der größten Vorteile der Zertifizierung: Der faire Umgang mit dem Kunden.

Am Ende ist die „Code & Klima-Convention“ ein gelungener Abend, der Impulse gibt und ins Gespräch bringt. Die Initiative dahinter wird weiterarbeiten und für eine stärkere „Carbon Awareness“ in der Bremer Digitalwirtschaft sorgen. Wer mitmachen möchte ist herzlich eingeladen.

Über Code & Klima Bremen

Die Initiative Code & Klima Bremen – Forum für nachhaltige IT wird vom Bremer IT- und Medienbranchenverband bremen digitalmedia getragen. Gemeinsam mit engagierten Mitgliedern setzt sich die Initiative seit 2024 dafür ein, ökologische Verantwortung in der Digitalwirtschaft sichtbar zu machen und konkrete Lösungen für eine zukunftsfähige IT zu entwickeln.

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